Jeder hat sein giftiges Double

Die Pilzsaison hat begonnen - aber beim Sammeln ist Vorsicht geboten. Jürgen Häffner weist für die hiesigen Wälder rund hundert Arten nach, von denen 20 für den Kochtopf geeignet sind.

Es war um drei Uhr in der Nacht, als bei Jürgen Häffner das Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung war ein verzweifelter Arzt des Wissener Krankenhauses, der mit seinem Latein am Ende war. Soeben war ein Mann mit einer schweren Pilzvergiftung in das Hospital eingeliefert worden. Doch die Behandlung gestaltete sich schwierig, wussten die Mediziner doch nicht, welchen Pilz der Kranke gegessen hat. In seiner Not erinnerte sich der Arzt an Pilzkundler Häffner: Flugs wurde eine Portion der gebratenen Pilze zu dem Spezialisten gebracht, der die Übeltäter in seinem Labor schnell identifizieren konnte: eine zu große Portion kahle Kremplinge waren der Auslöser für den lebensbedrohlichen Zustand des Mannes. Als die Art bestimmt war, wurde der Patient mit Kortison, Nierenmitteln, Holzkohle und schwarzen Kaffee behandelt - er überlebte.

Nicht immer geht es bei Jürgen Häffner so dramatisch zu, sein Fachwissen ist aber sehr häufig gefragt: Der Gymnasiallehrer ist zwar "nur" Hobby-Mykologe, trotzdem gilt der 63-Jährige als einer der größten Experten auf dem Gebiet der Pilze. Seit über 30 Jahren beschäftigt er sich mit ihnen, schrieb Bücher und Aufsätze über die ebenso beliebten wie gefürchteten Waldfrüchte und ist prämiertes Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Mykologie. Einen besseren Experten hätte sich der Bergische-Naturschutzverein (RBN) folglich für seine Pilzwanderung durch die Leuscheid nicht aussuchen können.

Bild Pilzwanderung

Genug "Material" zum Entdecken hatten Häffner und seine 20 Teilnehmer. "80 Arten finden wir hier spielend", sagt er. Die Pilzsaison sei zwar nur mittelprächtig. Wegen der wechselnden Temperaturen gebe es keine riesigen Mengen, "die Suche lohnt sich aber trotzdem", sagt der Rheinland-Pfälzer. Bei seinen Wanderungen geht es natürlich um Essbarkeit und Giftigkeit der Pilze, doch auch der Naturschutz hat hohe Priorität. "In Nordrhein-Westfalen sind mittlerweile 800 Arten vom Aussterben bedroht", weiß Häffner. Dies bedeute auch eine Gefahr für die Bäume, bilden doch Pilz und Baum eine voneinander abhängige Lebensgemeinschaft. "Der Pilz hilft dem Baum beim Überleben, weil er ihn tatkräftig bei der Wasseraufnahme unterstützt", weiß Häffner.

In den hiesigen Wäldern finden sich etwa 100 Pilzarten, davon sind 20 giftig, 20 essbar und der Rest ist ungenießbar", sagt der Experte. Ein Milchling, zum Beispiel, könne ohne üble Nachwirkungen verzehrt werden, allerdings ist die weiße Flüssigkeit (daher auch der Name), die beim Einschneiden der Lamellen austritt, schärfer als jede Peperoni - und somit ungenießbar. Andere sind zu hart, zu klein oder zu bitter.

Einen großen Bogen sollten die Sammler um Schirmlinge, Pantherpilz, Haarschleierling, Fliegenpilz und natürlich den grünen Knollenblätterpilz machen. Diese Exemplare sind hochgiftig, teilweise sogar tödlich. Manche führen nach wenigen Stunden zu Nierenversagen und schwersten Durchfällen, andere wirken nur in Verbindung mit Alkohol oder belasten den menschlichen Organismus erst Wochen nach dem Verzehr. "Es gibt keine Faustregel für das Erkennen von Giftpilzen. Besonders gefährlich ist die Tatsache, dass fast jeder Speisepilz auch einen giftigen Doppelgänger hat. Da helfen nur viel Erfahrung und eine gute Artenkenntnis", weiß Häffner.

Speisepilze, die auf den Wiesen und in den Wäldern der Region wachsen, sind unter anderem Maronenröhrlinge, Pfifferlinge, Wiesenchampions und Steinpilze. Auch Espenrotkappe und Raufuß-Röhrling lassen sich finden, weil sie aber bedroht sind, bittet Häffner diese Arten stehen zu lassen. Der Pilzexperte benutzt beim Sammeln ein Messer und schneidet den Fruchtkörper ab, eine vorsichtiges Herausdrehen ist auch möglich. Keinesfalls aber sollte der Pilz aus dem Boden herausgerissen werden. Denn dann könnte das unterirdische Pilzgeflecht beschädigt werden - mit der Folge, dass an dieser Stelle kein Pilz mehr wächst.

(Bild und Text: H. Klein)


Letzte Aktualisierung:  02.04.2009